Getreidefrei liegt im Trend

Der Boom mit getreidefreien Futtermitteln ist kaum zu toppen

Die Erkrankungen EMS (Equines Metabolisches Syndrom), PSSM (Polysaccharid-Speichermyopathie), die vielen Hufrehefälle in Zusammenhang den Bedenken um die Insulinresistenz und einfach auch die Angst der meist weiblichen Reiter vor einem zu energiegeladenen Pferd haben die getreidefreie Fütterung trendig gemacht.

Brauchen Pferde Getreide in der Fütterung?

Pferde brauchen das Getreide nur, wenn sie auch in Arbeit sind, dann kann es sogar unumgänglich sein, die Ration mit Getreidekomponenten anzureichern. Daher kommt auch der Begriff Kraftfutter für Getreidemahlzeiten, Pellets oder Müslis. Der Grund ihrer Fütterung liegt darin, dem Pferd die Energiezufuhr zu erhöhen.

Viele einfache pelletierte Fertigfutter basieren aber weniger auf Getreide selbst als vor allem auf Mühlennachprodukten wie mineralienreichen Kleien oder Nachmehlen, sowie Zuckerrübenschnitzeln oder Nachprodukten aus der Ölverarbeitung (Extraktionsschrote, Presskuchen). Der Anteil an Rohfaser ist bei diesen Pellets oft sehr hoch und der Stärkegehalt relativ gering. Die Pellets erhielten seit den achtziger Jahren Konkurrenz von den getreidelastigen, jedoch haferfreien Müslifuttern. Letztere haben einen relativ hohen Stärkeanteil, bedingt durch hohe Anteile von Gerste und Mais, die gerade im Müsli sehr gut als aufgeschlossenes Getreide sichtbar waren.

Schattenseite der Müslifütterung

Die über Jahre hochgelobten Müslifutter haben mit der Zeit aber auch ihre Schattenseiten gezeigt. Hohe Stärkegehalte, die weit höher als im nativen Hafer vorliegen in Kombination mit reichlich Zusatzstoffen wie Aromen, Süßstoffen, Konservierungsmitteln oder ätherischen Ölen und zudem angereichert mit reichlich pflanzlichen Fetten machten die Pferde relativ ruhig, rund und handsam, forderten aber auch ihren Tribut an den Blutzucker und die Leberfunktion. Diese Belastungskombination aus zu viel Energie, wenig Bewegung  bei zu geringer Mineralisierung führt übrigens auch beim Menschen zum sogenannten Metabolischen Syndrom.

Die Folgen für das Pferd waren Verspannungen, Übersäuerungserscheinungen, Mauke, Ekzem bis hin zur Hufrehe. Damit war die Idee des niederglykämischen Futters geboren. Je niedriger der Getreideanteil ist, desto geringer ist auch die Belastung für den Blutzuckerspiegel. Daraus resultierte die Entwicklung getreidefreier Müslis. Der nächste logische Schritt war, auf die oben genannte Zusatzstoffe wie Aroma - und Süßstoffe,  Konservierungsmittel etc. zu verzichten. Viele Hersteller nahmen das sehr ernst mit der Forderung nach "natürlichem" Futter und verzichten jedoch auch auf den Zusatz von Mineralien.

Heu ad libitum führt zu Mineralstoffmangel

Leider können auch die ganz gut gemeinten Dinge große Nachteile bergen. So kann die Folge der Verschiebung der Fütterung vor allem in den getreidefreien Bereich sehr leicht zu Defiziten in der Mineralienversorgung, vor allem der Spurenelemente führen. Dies mussten als erstes größere Betriebe erkennen, die den Haferanteil zugunsten von Heu verringerten. Dies ist erklärbar dadurch, dass sich der Spurenelementbedarf nach der aufgenommenen Trockensubstanz richtet. Zudem kommt, dass sich der Spurenelementgehalt im Heu in den letzten 20 Jahren kontinuierlich verringert hat. Daher muss heutzutage die Fütterung mit Mineralstoffen und Spurenelementen ergänzt werden. Wer dies unterschätzt, hat bald ein kränkeres Pferd als vorher.

Fütterung dem Energiebedarf anpassen

Bei getreidefreien Rationen beim Reitpferd muss der Energiebedarf des Pferdes im Auge behalten werden und eventuell mehr Heu gefüttert werden. Heu läuft allerdings Gefahr, stark mit Schimmelpilzen und biogenen Aminen kontaminiert zu sein. Bei täglichen Futtermengen von zehn Kilogramm und mehr steigt die Gefahr von Leber-Erkankungen, wenn das Heu nicht von bester Qualität ist. Leider ist das sehr oft der Fall.

Weidegang als unberücksichtigte Energiezufuhr

Die hohe Stärkezufuhr, die den Insulinspiegel des Pferdes in die Höhe treiben soll, gilt noch als Schreckgespenst in der Pferdefütterung. Was aber gerne vergessen wird, dass durch die mittlerweile veränderten Haltungsbedingungen bei Pferden mit oft reichlich Koppelgang nicht zu unterschätzende Mengen von Zucker zugeführt werden, die so auch zu einer unkontrollierten Energiezufuhr führen. Da macht es wirklich Sinn, die Kraftfutterration zu überdenken.

Welche Rolle spielt das Eiweiß?

Das Thema Eiweiß ist derzeit eigentlich vom Tisch. Eine Pferdefutterration (auch wenn nur Heu gefüttert würde) ist immer reicher an Eiweiß als es empfohlen wird. Die Verstoffwechselung von Eiweiß ist entscheidend und dann unproblematisch für ein Pferd, wenn es über eine top gesunde Leber verfügt und zudem wirklich bedarfsgerecht mineralisiert ist. Durch die Belastung der Pferde mit kontaminiertem Heu oder Futtermitteln, die reichlich mit chemischen Zusatzstoffen angereichert sind, ist eine Leberbelastung und damit Stoffwechselstörungen nicht ausgeschlossen.

Für welche Pferde ist Futter ohne Getreide eine Alternative?

Für übergewichtige Pferde und Pferde, die eigentlich nicht viel arbeiten müssen und die einfach was Leckeres zum Mineralfutter als Freßhilfe benötigen, aber auch für Pferde die eine nachgewiesene Allergie gegenüber Getreide entwickelt haben. Bei Pferden mit entwickelter Insulinresistenz sollte wesentlich mehr Wert auf eine bedarfsgerechte Mineralisierung und damit eine Anregung des Stoffwechsels gelegt werden und nicht einfach die Hoffnung bestehen, dass ein Abspecken allein das Problem löst.

Paradox, dass sowohl übergewichtige als auch abgemagerte Pferde von getreidefreien Müslis profitieren können. Letztendlich lassen sich aber auch Futter ohne Getreide sehr gut als Ergänzung zur Getreideration (Hafer) einsetzen, um die Verdauung zu stimulieren und den PH-Wert der Gesamtration zu verbessern. Wer feststellt, dass dem Pferd Energie fehlt, dass es abmagert, der sollte entweder die getreidefreie Fütterung wieder überdenken und langsam wieder Getreide in die Ration einbauen oder die Mineralisierung berechnen. Eine Untermineralisierung kann den Stoffwechsel hemmen, sowohl in die eine Richtung, dass zugeführte Energie (auch durch Raufutter allein) nicht mehr umgesetzt werden kann, als auch in Richtung Verfettung und EMS (Equines Metabolisches Syndrom).

Wichtig nicht nur beim Thema „getreidefrei“ ist, dass der Hersteller dieser Müslis die Produkte entweder selbst mineralisiert oder wenigstens den Pferdebesitzer darauf aufmerksam macht, dass er bewusst keine Mineralstoffe zugesetzt hat. Ansonsten läuft der Pferdebesitzer ernsthaft Gefahr, dass sein Pferd Schritt für Schritt entmineralisiert wird und so allen möglichen Erkrankungen (von Arthrose über Immunstörungen, Ekzem oder Mauke bis hin zu Knochendegenerationen) Tür und Tor geöffnet sind!

 

Dr. Susanne Weyrauch-Wiegand Februar 2015 überarbeitet 2016 ©

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