Hufrehe beim Pferd als Anzeichen für EMS, ECS, Überfütterung und Mineralstoffmangel

Hufrehe beim Pferd

Mögliche Ursachen sind in der Fütterung zu suchen

In den letzten Jahren hat ein Anstieg an Hufreheerkrankungen die Pferdebesitzer aufgeweckt. Auch Tierärzte stoßen hier regelmäßig an ihre Grenzen. Es wurde auf Hochdruck geforscht und exzessive Fütterungsentgleisungen, Überernährung, Weidehaltung oder zu wenig Bewegung als Ursache postuliert. Ist das alles?

Die Hufrehe beim Pferd zählt zu den fütterungsbedingten Erkrankungen. Die chronische Hufrehe gilt als Begleitung des Equinen Metabolischen Syndroms (EMS) und des Equinen Cushing Syndroms (ECS). Bei der akuten Hufrehe wird von der einmaligen Aufnahme einseitiger Nährstoffmengen als Ursache ausgegangen.

Die akute Hufrehe

Meist sind beide Vorderhufe betroffen und die Pferde versuchen sich durch Einnehmen einer Position, in der die Vorderbeine nach vorne gestellt werden, zu entlasten. Neben der Schmerzhaftigkeit leidet auch oft der Aufhängeapparat des Hufbeins unter den Hufreheschüben, so dass es zu einem Absinken der Hufbeinspitze bzw. zur Rotation des Hufbeins kommt. Dies muss unter allen Umständen verhindert werden, da sonst auch trotz rascher Reaktion des Tierarztes, der selbstverständlich sofort benachrichtigt werden muss, bleibende Schäden zur Unbrauchbarkeit des Pferdes führen können.

Absinken des Hufbeins

Der Grad des Absinkens der Hufbeinspitze scheint abhängig vom Schweregrad der Hufrehe und von der Stabilität des Hufkomplexes zu sein. Die Hufstabilität ist wiederum direkt abhängig von der Nährstoffversorgung. Eine defizitäre Nährstoffversorgung in bezug auf nichtenergieliefernde Nährstoffe, vor allem Mineralstoffe und Spurenelemente, aber auch mehrfach ungesättigte Fettsäuren, hervorgerufen durch eine nicht bedarfsgerechte Fütterung oder durch einen erhöhten Nährstoffbedarf, ausgelöst durch Stress und unerkannten Schmerz schwächen den Hufkomplex. 

Entgleisung des Darmmilieus als Auslöser für die akute Hufrehe

Während früher vor allem große Mengen an Eiweiß als auslösend galten, werden derzeit große Mengen an Kohlenhydraten diskutiert. Das Überangebot an rasch fermentierbaren Energielieferanten wie Fruktanen, Stärke oder Zucker soll zu einer zu starken Vermehrung milchsäureproduzierender Mikrorganismen wie Streptokokken und Lactobazillen im Dickdarm führen. Das Verhältnis der flüchtigen Fettsäuren im Darm verändert sich und der pH-Wert sinkt. Das führt zu einer Übersäuerung des Dickdarms. Die Schleimhaut im Dickdarm kann flüchtige Fettsäuren von Natur aus nur bis zu einem bestimmten Grad aufnehmen, so dass eine Art Teufelskreis in Gang gesetzt wird. Fettsäuren, die nicht aufgenommen werden können, tragen weiterhin zu einer Verschiebung des pH-Wertes ins saure Milieu bei, was zu einer Schädigung der Darmflora und -schleimhaut führt und damit wieder zu einer zu verringerten Aufnahme an flüchtigen Fettsäuren. Der Abfall des pH-Wertes führt zu einem Massensterben der Cellulose-spaltenden Bakterien. Dabei werden Gifte freigesetzt, die durch die vorgeschädigte Darmschleimhaut rasch in den Blutkreislauf resorbiert werden. Einige dieser Gifte wirken offensichtlich gefässverengend und können die Hufrehe auslösen.

Was sind eigentlich Fruktane?

Ponies und Kleinpferde sind besonders von Hufrehe betroffen

Fruktane, auch Fructosane genannte Polymerisate aus Saccharose (Zucker) gehören zu den pflanzlichen Reservekohlenhydraten, die von Gräsern gebildet und vorwiegend in den Stengeln gelagert werden. Fruktan zählt wie wie Glukose, Fruktose, Saccharose und Stärke zu den nicht-strukturbildenden Kohlenhydraten (im Gegensatz zu den strukturbildenden Kohlenhydraten wie Hemicellulose, Cellulose, Pektin und Lignin) und sind in Wasser löslich.

Während nordisch geprägte Gräser eher Fruktan als Speicherkohlenhydrat nutzen, neigen Gräser aus wärmeren Gefilden eher zu Stärkeeinlagerungen. Der Fructangehalt im Gras kann bei bestimmten Grassorten sogar 10 bis 40% betragen. Dieser schwankt je nach Tagesheit und kann im Blatt über die Mittagszeit enorm ansteigen. Über das Jahr gesehen steigt der Fruktangehalt vor allem in der Zeit, wenn die Photosyntheseleistung den Verbrauch an Kohlenhydraten übersteigt. Bei Stickstoffdüngung wächst die Pflanze stärker und es wird naturgemäß weniger Fruktan gespeichert. Bei Kaliumdüngung verhält sich das umgekehrt.

Fruktane sind β-glukosidisch verknüpfte Fruktoseeinheiten mit häufig endständiger Glukose. Ihr Abbau erfolgt aufgrund der β-glukosidischen Verbindung nicht enzymatisch sondern mikrobiell im Ende des Dünndarms und im Dickdarm des Pferdes.

Zu den Fruktanen zählen auch die kurzkettigen Fructo-Oligosaccaride (bis 10 Fructose-Einheiten). Am bekanntesten ist Inulin, (bis 60 Fructose - Einheiten) im Vergleich zu Hochleistungsgräsern (bis 300 Fructose-Einheiten).

Da Fruktane zu den natürlichen Inhaltsstoffen von Gräsern zählen wirft sich die Frage auf, ob nur ein Zuviel oder eine gestörte Mikrobiologie zur Entstehung von Hufrehe beiträgt. Hier besteht noch Forschungsbedarf, denn die Ursache für Hufrehe auf das Vorhandensein von Fruktan zu beschränken ist zu simpel gedacht.

Die chronische Hufrehe

Bei der chronischen Hufrehe ist die Sachlage komplexer. Hier wird als Auslöser ein erhöhter Insulinspiegel als Folge eines überhöhten Blutzuckerspiegels durch ständige Überfütterung angenommen. Eine zu hohe Kohlenhydratzufuhr kann nicht als alleinige Ursache dafür angenommen werden. Nicht wenige Pferde lavieren trotz restriktiver Heufütterung und massiven Einschränkungen an energieliefernden Nährstoffen ständig an der Hufrehe entlang.

Was nicht zu unterschätzen und als Ursache für Hufrehe ziemlich wahrscheinlich ist, sind bereits schon länger andauernde Schmerz- oder Stresszustände (zum Beispiel durch Arthrose oder Fühligkeit). Im Rahmen massiver Schmerz und Stresszustände erhöht sich die Ausschüttung von ACTH (adrenocorticotrope Hormon), welches die körpereigene Cortisolausschüttung einleitet. Cortisol als Medikament und körpereigenes Cortisol können Hufrehe auslösen.

Möglich als Ursache chronischer Hufrehe können Allergien, mögliche Leberschwächen oder langwierige Darmprobleme mit einer instabile Darmflora sein.

Vorwarnung die chronische Hufrehe kann ein geschwollener, fester Mähnenkamm sein.

Die Vergiftungsrehe

Vergiftungen im weiteren Sinne können der Auslöser der sogenannten Vergiftungsrehe sein. Bei der Vergiftungsrehe können Giftpflanzen und Medikamente (wie zum Beispiel Cortisongaben - und das nicht selten) ursächlich für das Auftreten einer Hufrehe sein. Ebenso können durch Fehlgärung entstandene Abbauprodukte in der Silage indirekt eine Hufrehe auslösen. Nicht wirklich ernstgenommen wird derzeit das Entstehen von Hufrehe aufgrund einer schleichenden Belastung des Stoffwechsels durch die tagtägliche Überfrachtung der Pferde mit Zusätzen wie Aroma- und Konservierungsstoffen, Produktions- und Verkaufshilfstoffen.

Sind die stoffwechselentgiftenden Organe am Limit, kann sogar die einfache Wurmkur oder eine Impfung die Hufrehe als GAU auslösen. Nicht wenige Pferde reagieren auf bereits kleine Cortisonmengen mit Hufrehe.

Was ist heute anders?

Im Gegensatz zu früher wurden gerade in den letzten Jahren immer mehr Pferde, davon auch Spezialrassen mit Fertigfutter gefüttert. Eine konservierende Behandlung der feuchten Futter mit Chemikalien, die Geschmacksverbesserung durch diverse Aroma- und Süßstoffe oder die Zugabe ätherischer Öle sind durchaus üblich. Auch wenn das dem Großteil der gefütterten Pferde nichts ausmacht, sind Ausnahmen schlichtweg nicht in der Lage, zusätzliche Stoffwechselbelastungen hinzunehmen.

Einige der oft leichtfuttrigen Pferde neigen zu Durchfall und Kotwasser, bevor es zu einer Hufrehe kommt. Das zeigt bereits eine gewisse Sensibilität gegenüber bestimmten Stoffen.

Tierarzt bei der Hufreheuntersuchung Pulsationsmessung

Wie kann man der Hufrehefahr entgegnen?

Bei Hufrehe-Gefahr gilt es zunächst, Überfütterungen oder Fütterungsentgleisungen zu verhindern und die Nahrungsmenge dem Energiebedarf anzupassen. Dazu gehört, dass ein hufrehegefährdetes Pferd nicht ganztägig auf die Weide gehört. Die Futterration ist auf Qualität, Menge und zugesetzte Stoffe hin zu überprüfen. Die Ration muss bedarfsoptimiert im Sinne der Mineralstoffe sein.

Da sich der Nährstoffbedarf vieler Mineralstoffe nach der Trockensubstanzaufnahme richtet kann leider auch folgender Schluss getroffen werden: wer übergewichtig ist benötigt auch mehr nichtenergieliefernde Nährstoffe. Da im Allgemeinen dieser Umstand nicht bekannt ist und FDH (friss die Hälfte) als Diätanweisung gegeben wird oder dem Pferd ausschließlich Heu gefüttert wird ohne diese Futterration ohne eine situationsbedingte Mineralisierung zu ergänzen, kommt es zu einem weitergehenden und damit fatalen Entgleisen des Mineralstoffhaushalts. Davon sind vorwiegend die Spurenelemente betroffen. Der Hufrehe werden so Tür und Tor geöffnet.

In den Fällen, in denen man vordergründig keine Fehler in der Fütterung  findet, kann ein Mangel an dem Spurenelement Mangan ausschlaggebend sein für die Entstehung der Hufrehe. Dieser Mangel an Mangan (< 1,5µg/l) kann letztendlich auch an der Hufbeinabsenkung mitbeteiligt sein.  Ein Manganmangel ist nicht selten der Auslöser bei Hufrehe hochtragender Stuten. Ebenso führt ein Manganmangel zu einer verminderten Harnstoffbildung und damit zu einer zu geringen Stickstoffentgiftung.

Entsäuerung unterstützen

Um eine Übersäuerung des Dickdarms zu vermeiden ist die Fütterung betont rohfaserreich (mit Heu- und Strohanteilen) zu gestalten. Bestünde ein hoher Kraftfutterbedarf (z.B. bei Leistungspferden), sollte ein Teil der Getreideration durch den Einsatz von Faserstoffen, wie Heufasern, Kleien oder Rübenschnitzel und ein wenig Öl von Stärke entlastet und auf mehrere Mahlzeiten verteilt werden.

Eine ausreichende Versorgung mit den Spurenelementen wie Zink, Kupfer, Selen und Mangan ist nicht nur die Basis für einen guten Stoffwechsel, eine gute Verdauung und eine stabile Darmwand, sondern regeneriert und festigt das Bindegewebe, welches das Hufbein in der Hornkapsel "schweben lässt". Als Bioaktivatoren entsäuernd wirkender Enzymkomplexe dienen Magnesium und die Spurenelemente der Hufrehe vorbeugend entgegen.

Leber schonen und entlasten

Ein wichtiger Faktor ist die Anregung der Verdauung und die Vitalisierung und Stabilisierung der Leber und der Darmflora. Der Schutz der Leber bei hufrehegefährdeten Pferden nimmt einen besonderen Stellenwert ein. Hier spielen die Themen: Entsäuerung, Entgiftung, Abbau von Stickstoffprodukten und Darmpflege eine große Rolle.

Besteht die Gefahr einer Leberschwäche ist es sinnvoll, wenigstens vorübergehend auf aromatisierte Futtermittel zu verzichten. Die gutgemeinte reichliche Heufütterung unter Vernachlässigung der Beachtung bester Heuqualitäten für das Pferd ist das Damokles-Schwert für die Lebergesundheit. Je mehr kontaminiertes Heu gefüttert wird, desto höher wird die Belastung an Schadstoffen (Mykotoxinen) für die Leber des Pferdes insgesamt. Heulage oder Silage sind für Pferde aufgrund der Belastung mit biogenen Aminen, die über die Leber abgebaut werden, nicht geeignet.

Ein freier Gallefluss und eine ausreichende Versorgung mit Spurenelementen schafft die Grundlage für die Entwicklung einer stabilen Darmflora. Eine gesunde Darmflora kann pH-Schwankungen besser verkraften als eine instabile. Ein gesunder Darm wird mit großen Anflutungen von Einzelfuttermitteln besser fertig als ein geschwächter Darm.

Weitere Tips zur richtigen Fütterung: Hufrehe

Dr. Susanne Weyrauch-Wiegand 2013, überarbeitet 2018

Foto: Fotolia #14566346 Urheber: Svetlana

                         #132539219 Urheber: Osetrik

 

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