Protein in der Pferdefütterung

Was macht Eiweiß in der Fütterung so wichtig?

"Protein" leitet sich vom griechischen "proteios" ab, was erstrangig bedeutet. Sehr treffend wird hier die Bedeutung dieser Stoffklasse für alle Individuen beschrieben. Die zentrale Bedeutung der Eiweiße resultiert aus der Tatsache, dass die Zusammensetzung bei jedem Individuum unterschiedlich und genetisch festgelegt ist.

Eiweiß fällt nach der Weender Analyse unter den Begriff Rohprotein. Was Eiweiß als Nährstoffgruppe auszeichnet ist der Gehalt an Stickstoff, der sonst weder in Fett, Fasern Kohlenhydraten oder Alkohol zu finden ist.

Pferde benötigen Eiweiß, um Muskulatur aufzubauen, zu wachsen und sich zu entwickeln. Die Entwicklung der verschiedenen Gewebe hängt von der jeweiligen Eiweißstruktur ab. Auch wenn der allgemeine Eiweißanteil in der Futterration über dem Bedarf liegt, gibt es bestimmte Situationen, in denen der Eiweißbedarf höher ist:

Die wären grob gesagt das Wachstum, die Trächtigkeit und Laktation sowie der gesteigerte Bedarf bei Hochleistungspferden und denen, die es werden sollen.

Essentielle Aminosäuren - Bausteine der Eiweiße

Proteine sind Aneinanderreihungen einzelner Aminosäuren aneinander. 21 verschiedene Aminosäuren sind bekannt. Ein Teil davon kann im Körper selbst hergestellt, einige Aminosäuren (wie Lysin, Methionin, Tryptophan, Leucin, Isoleucin, Threoin, Valin, Histidin und Phenylalanin) sind jedoch essentiell und können nur auf dem Wege der Ernährung zugeführt werden.

Nach der Verkettung liegen die Aminosäuren entweder als einfache Proteine oder als zusammengesetzte Proteine (mit Metallen, Nucleinsäuren, Mono- und Polysacchariden oder Lipiden) vor. Die Struktur ist meist knäuelähnlich.

So werden vom Pferd aus pflanzlicher Nahrung aufgenommen und im Rahmen der Verdauung im Magen mit Hilfe von eiweißspaltenden Enzymen (Proteasen) wieder in die einzelnen Aminosäuren zerlegt. Die Resorption der zerlegten Proteine erfolgt im Dünndarm. Danach gelangen sie in die Leber, wo ein Teil der Aminosäuren entsprechend genetischer Vorgaben zu körpereigenem Eiweiß (zum Beispiel Muskeleiweiß) zusammengebaut werden oder der Energiezufuhr zugeführt werden. Letzteres passiert in hohem Maße, da die Eiweißzufuhr in der Pferdeernährung den tatsächlichen Bedarf oft übersteigt.

Zufütterung von Aminosäuren nötig?

Ein tatsächlicher Mangel an essentiellen Aminosäuren ist selten, kann aber bei Pferden, die kein Kraftfutter erhalten eher möglich sein. Als besonders limitierend gelten Lysin, Methionin und Threonin.

Die höchsten Gehalte an Lysin je Kilo Futtermittel finden wir in Sojabohnen mit 22 g pro Kilo. Das muss aber kein Grund sein, diese oft genveränderten Produkte zu füttern. Gras- oder Grünmehle sowie Hafer enthalten bereits 5g Lysin pro kg und auch gutes Heu kann schon mit 4,8g pro Kilo dabei sein. Alle anderen Produkte, die sehr viel Lysin enthalten, werden nicht in so großen Mengen gefüttert. Das sollte relativiert werden, denn der Bedarf wird auch bei Hochleistungspferden langfristig nicht über ca. 18 g pro Tag steigen und ist nur ausnahmsweise bei Zuchtstuten in der Hochlaktation bei kurzfristig über 40g.

Methionin ist mit 5,7 g pro Kilo Hafer enthalten, ebenso Threonin mit 4,4 g pro Kilo. Da Heu im Allgemeinen durchschnittlich bereits 2,8g Methionin und 4,3g Threonin enthält wäre selbst bei ungünstigen Heuqualitäten der normale Bedarf schon mit wenigstens 1 kg Hafer bei Methionin (28g durch Heu, 5,7g durch Hafer) und 2 kg Hafer bei Threonin (43g durch Heu, 8,8g durch Hafer) am Tag gedeckt. Der Pferdehalter kann sich an dieser Stelle Gedanken machen, ob er nicht besser auf die Haferfütterung umsteigt als teure Sojaprodukte aus dem Ausland zu beziehen und sich auf zusätzliche Sojagaben und Extraktionsschrote beschränkt, wenn tatsächlich der Aminosäurebedarf des Pferdes durch Wachstum, Zucht oder wirklichen Hochleistungsport nochmal deutlich erhöht ist.

Den drei Aminosäuren wird gerade durch den PSSM-Hype eine besondere Bedeutung beigemessen, da hier eine getreidefreie Fütterung empfohlen wird. Vermutlich wird sich das ändern, sobald man allgemein zur Erkenntis gelangt, dass die Mineralisierung betroffener Pferde eine größere Rolle spielt als die Tatsache, ob getreidefrei oder mit Getreide gefüttert wird.

Protein für die Muskelmasse

Aus den verdauten Aminosäuren werden nicht nur Körpereiweiß wie Muskel- oder Bindegewebseiweiß aufgebaut. Proteine sind auch die Bausteine für die Bildung und die Regeneration des Immunsystems, der Enzyme, der Hormone, der Erbsubstanz (Nucleinsäuren) in den Zellkernen oder den Phospholipiden zum Aufbau der Zellmembran. In Krisenzeiten wird Protein auch zur Energieversorgung (1 g Eiweiß liefert 17,2 kJ bzw. 4,1 kcal) herangezogen.

Eiweiß enthält Stickstoff und der muss raus

Aminosäuren bestehen aus Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff und einer Stickstoffgruppe (N). Die Aminosäuren Methionin und Cystein verfügen zudem über eine Schwefelgruppe (S). Der Stickstoff wird allerdings im Körper nur zum Aufbau von Aminosäuren bzw. Proteinen genutzt und trägt auch in keiner Form zur Energiegewinnung bei.

Die Stickstoffgruppe muss aus dem Körper entfernt werden, wenn er bei anfallenden Umbauarbeiten oder einer energetischen Verwertung des Proteins nicht mehr nötig ist. Dann wird er in Harnsäure und schließlich in der Leber in Harnstoff umgewandelt und über die Nieren ausgeschieden.

Zu viel Eiweiß kann belasten

Dieser Prozess ist nicht nur energieaufwendig. Der Umbau der Stickstoffgruppe der Aminosäuren in Harnstoff kostet unter anderem über das Enzym Arginase auch Manganreserven. Der Stoffwechsel wird bei einem langfristigen Überangebot mit Protein, z.B. durch zeitlich unbegrenzten Weidegang, rohfaserarme Silage, Heu aus zweitem Schnitt oder einem Überangebot an Hafer (zum Beispiel mehr als 1,2 Kilogramm Hafer pro 100 Kilogramm Körpermasse) stark belastet. Leber und Nieren müssen auf Hochtouren arbeiten, um den Überschuss an Stickstoff aus dem Körper zu entfernen.

Werden Proteinfragmente aufgrund zu hoher Anflutungen nicht mehr im  Dünndarm resorbiert, werden sie in den Dickdarm weitergeleitet und dort mikrobiell umgesetzt. Dabei entstehen Ammoniak, Schwefelwasserstoff, Merkaptane (leicht flüchtige organische Verbindungen) sowie gefährliche biogene Amine (Histamin, Cadaverin etc.), die über die Darmschleimhaut aufgenommen werden und über die Leber abgebaut werden müssen.
Daher gehört zur Kunst der Pferdefütterung zwischen Eiweißmenge und - qualität zu unterscheiden und die Eiweißmenge dem Alter und der sportlichen Betätigung anzugleichen.

Zuviel Proteine in der Futterbilanz

Die wissenschaftliche Literatur gibt eine Empfehlung von 0,5 bis 1 g verdaulichem Eiweiß pro Kilo Lebendgewicht an, wobei der Eiweißbedarf mit steigendem Lebendgewicht sinkt. In diesem Fall benötigt ein 600 Kilogramm schweres Pferd 200 bis 480g Eiweiß.

Der Bedarf eines Pferdes an Eiweiß kann aber auch etwas genauer angegeben werden, wenn man den Bedarf nach seiner Arbeitsleistung (5g Rohprotein pro Megajoule) berechnet. So benötigt ein 600 Kilogramm schweres Pferd, das leichte Arbeit (normale Reitstunde) verrichtet und einen Energiebedarf von etwa 80 MJ Energie hat, 400g Eiweiß.

Die übliche tägliche Eiweißzufuhr übersteigt allerdings in der Praxis die Empfehlung bei weitem. Daher wird eine Faustzahl von 2 Gramm pro Kilo Lebendgewicht als tolerierbar angegeben.

Der Eiweißbedarf steigt stark an bei hochträchtigen (mind. 500 Gramm pro Tag) und noch mehr bei laktierenden Stuten (bis 1200g). Erfahrungsgemäß kann durch eine höhere Eiweißqualität (mehr essentielle Aminosäuren)  bei der Eiweißmenge gespart werden und so der Stoffwechsel der Stute entlastet werden. Auch heranwachsende Fohlen haben einen hohen Eiweißbedarf (um die 600g in den ersten drei Jahren).

Proteinlieferanten kein Problem

Hochwertiges Heu enthält im Allgemeinen einen Rohproteinanteil von 8 bis 10 Prozent. Füttern wir ein 600 Kilogramm schweres Pferd mit 7 Kilogramm Heu, was durchaus üblich ist, so haben wir hier schon eine Proteinzufuhr von über 500g.

Füttert man nun ein Kraftfutter mit 12 Prozent Rohprotein (z.B. Hafer) mit einer täglichen Fütterungsmenge von 3 Kilogramm, so führen wir nochmals 360g Eiweiß hinzu.

Weidegras enthält etwa 9 bis 15 Prozent Eiweiß in der Trockensubstanz, das heißt, dass ein Pferd mit je fünf Kilogramm frischem Weidegras auch  90g bis 150g Eiweiß aufnimmt. Auch beim relativ kurzen Weidegang werden oft 20 Kilogramm Weidegras aufgenommen, was einer Eiweißzufuhr von über 400g entspricht. Hohe Eiweißzulagen können eine längere Zeit nur dann gut verkraftet werden, wenn auch die Spurenelementzulagen in die Ration passen. So kann der enzymatisch bedingte Um- und Abbau der Aminosäuren reibungslos und ohne den Zugriff auf körpereigene Ressourcen erfolgen.

Eiweißgehalte senken

Die Kunst der Pferdefütterung besteht darin, eiweißarme und nährstoffreiche Elemente in die Futterration einzubauen und so langfristig hohe Proteinanflutungen zu vermeiden. Dazu gehört an erster Stelle gutes Futterstroh, beispielsweise Haferstroh mit drei Prozent Rohprotein, das mit etwa zwei bis drei Kilogramm täglich in die Ration einbezogen, dem Pferd Energie und eine reiche Spurenelementversorgung liefert. Dafür kann die Heuration um beispielsweise eineinhalb Kilogramm gekürzt werden.

Öle sind gänzlich eiweißfrei und liefern neben Energie auch wertvolle Begleitstoffe. Gerne können täglich bis 150 Milliliter zugefüttert werden und ersetzen damit fast ein halbes Kilogramm Hafer. Die guten alten Zuckerrübenschnitzel gehören ebenso zu den eiweißarmen Futtermitteln. Wärmebehandelte Maiskörner (z.B. Maisflocken) gehören zu den eiweißärmsten Getreidearten und stellen einen Ausgleich zur reinen Haferfütterung dar. Allerdings sollte die Maisfütterung 20 Prozent der Getreidefütterung nicht überschreiten. Reich an Eiweiß sind junges Weidegras, Luzerne, Extraktionsschrote,  Sojaprodukte und Mais- oder Weizenkleber. Pferde, die unter Nierenproblemen leiden müssen strickt eiweißarm gefüttert werden.

Eiweißmangel

Es ist in unseren Regionen fast unmöglich, beim Pferd einen Eiweißmangel zu provozieren. Er könnte gegebenenfalls durch eine reine Strohfütterung, sehr wenig und spät geerntetes, sowie zu lange gelagertes Heu induziert werden. Ein Eiweißmangel beim Pferd ist extrem selten, wahrscheinlicher sind minderwertige Eiweißqualitäten durch einseitige Futterzusammenstellungen. So könnten schwankende Verdaulichkeiten der Proteinfraktion des Heus möglicherweise zu Defiziten in der Versorgung essentieller Aminosäuren, wie zum Beispiel Lysin führen.

Ein Eiweißmangel führte zur Verminderung der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit sowie Muskelabbau. Lediglich bei jungen Tieren, die kein Weidegras oder zu wenig Heu gefüttert bekommen, könnte ein Eiweißmangel zu Wachstumseinschränkungen führen.

Niedrige Eiweißgehalte im Blutbild sind kein Anzeichen für einen Eiweißmangel sondern für eine mangelhafte körpereigene Eiweißproduktion der Leber und werden gerne missinterpretiert.

 

Dr. Susanne Weyrauch 2011 überarbeitet 2022©

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