Dickes Pferd - gutes Pferd?

EMS – das Equine Metabolische Syndrom

Der tägliche Kampf mit dem Übergewicht ihres Pferdes macht vielen Pferdebesitzern zu schaffen. Die Diagnose EMS - Equines Metabolisches Syndrom - hängt dabei wie ein Damoklesschwert über allem. Das Problem dabei ist, dass kein Stoffwechsel über Schutzmechanismen gegenüber einem zu hohen Nahrungsangebot verfügt. Im Gegenteil: die meisten Individuen sind gute Futterverwerter, weil ihre Vorfahren Notzeiten und Nahrungsknappheit überlebt haben und kommen eher schlecht mit Überfütterung zurecht.

 

Ein Nahrungsüberangebot besteht heutzutage in unseren Breiten vor allem bei Eiweiß, Fett und Kohlenhydraten. Gerade beide Letztere sorgen für den Speck auf den Rippen. In der menschlichen Ernährung kommt der Alkohol dazu, beim Pferd kann sogar die Aufnahme von Rohfaser (Heu, Stroh) zur Verfettung führen.

Alle Pferderassen sind betroffen
Auch wenn in der Häufigkeit bestimmte Rassen mehr als andere zur Verfettung neigen, können jedoch alle Pferde betroffen sein. Fettsucht kann bei jeder Rasse auftreten! Besonders gefährdet sind allerdings Ponys, Kleinpferde oder schwere Kaltblutrassen. Aber selbst Vollblutpferde können bei entsprechendem Nahrungsüberschuss und Bewegungsmangel zu dick werden.

Die daraus resultierenden Folgen werden als Symptomenkomplex zusammengefasst und als Metabolisches Syndrom bezeichnet. Beim Pferd als Equines Metabolisches Syndrom (EMS). Neben der allgemeinen Überlastung des Bewegungsapparates durch das Übergewicht führt die fehlerhafte Energiebilanz beim Menschen und Hund vor allem zu Herz-Kreislaufproblemen und Diabetes und beim Pferd zur gefürchteten Hufrehe. EMS gehört wie auch das Equine Cushing Syndrom (ECS) zu den Hauptursachen für die Enstehung der chronischen Hufrehe.

Die Hufrehe ist der GAU

Die Hufrehe ist eine äußerst schmerzhafte Erkrankung, die man mit Migräne vergleichen kann. Es wird die akute Hufrehe von der chronischen Hufrehe unterschieden.
Während die akute Hufrehe durch eher einmalige Fütterungsentgleisungen, Medikamentengaben, Vergiftungen oder Stress entsteht, ist die chronische Hufrehe das Resultat langfristigen fehlerhaften Fütterungsmanagements und einer daraus resultierenden Entgleisung des Hormonsystems.

Nach derzeitigem Kenntnisstand wird die Hufrehe, die mit einer Lockerung des Aufhängeapparats des Hufbeins (Dietz O., Huskamp B. Handbuch Pferdepraxis, 1999), einer Veränderung der weißen Linie, systematischer Rotation oder Absenkung der Hufbeinspitze bis hin zum Sohlendurchbruch und viel Schmerzen einhergeht durch ein Überangebot an rasch fermentierbaren Energielieferanten wie Fruktanen, Stärke u.a. ausgelöst.

Dabei kommt es zu einer zu starken Vermehrung milchsäureproduzierender Mikrorganismen wie Streptokokken und Lactobazillen im Dickdarm. Das Verhältnis der flüchtigen Fettsäuren im Darm verändert sich und der pH-Wert sinkt. Das führt zu einer Übersäuerung des Dickdarms.

 

Die Schleimhaut im Dickdarm kann flüchtige Fettsäuren von Natur aus nur bis zu einem bestimmten Grad aufnehmen. Es beginnt eine Art Teufelskreis. Fettsäuren, die nicht aufgenommen werden können, tragen weiterhin zu einer Verschiebung des pH-Wertes ins saure Milieu bei, was zu einer Schädigung der Darmschleimhaut führt und damit wieder zu einer zu verringerten Aufnahme an flüchtigen Fettsäuren.

Der Abfall des pH-Wertes führt zu einem Massensterben der Cellulose-spaltenden Bakterien. Dabei werden Gifte freigesetzt, die durch die  vorgeschädigte Darmschleimhaut rasch in den Blutkreislauf resorbiert werden. Einige dieser Gifte wirken offensichtlich gefässverengend und können die Hufrehe auslösen.


EMS frühzeitig erkennen

Da die chronische Hufrehe erst eine Spätfolge von EMS ist, müssen bereits die Vorzeichen zur Entwicklung frühzeitig erkannt werden. Dazu gehört, wenn Pferde deutliche Fettansätze zeigen, zum Beispiel entweder rundum verteilt, oder aber speziell an Mähnenkamm, dem Schulterbereich, der Schlauch bei Wallachen, der Oberseite der Kruppe oder auf einen kleinen Hügel oberhalb des Schweifansatzes.

Dieses gebildete Fettgewebe produziert sogenannte Zytokine, die als Botenstoffe u.a. bei der Entstehung von Entzündungsprozessen beteiligt sind. Auch das Stresshormon Cortisol wird vermehrt ausgeschüttet. Bestimmte Fettgewebshormone fördern die Ausbildung einer Insulinresistenz und damit einer Blutüberzuckerung, die wiederum zu erhöhten Insulinausschüttungen führt, die im Verdacht steht, Hufrehe auslösen zu können. Pferde, die unter EMS leiden entwickeln also langfristig eine Störung des Zuckerstoffwechsel, der sich in einem erhöhten Nüchterninsulinspiegel im Blutplasma zeigen kann. Damit verlagert sich das Hufrehe-Problem in den endokrinologischen Bereich. Im Gegensatz zu ECS, wo mit Pergolid gearbeitet werden kann, stehen für EMS keine Medikamente zur Verfügung. Hier muss wie beim beginnenden Typ-Diabetiker rasch eine Ernährungsumstellung erfolgen, um die Erkrankung reversibel zu halten. Die zu den Hormonentgleisungen führenden Fettpolster müssen zurückentwickelt werden. Dies geht durch eine sinnvolle Diät.

Bewegung senkt den Blutzuckerspiegel

Insulin hat die Aufgabe, den Transport von Blutzucker in das Gewebe zu organisieren. Die Ausschüttung von Insulin wird überfordert, wenn zu viel Zucker direkt aus dem Weidegras (Gras bildet aus Kohlendioxid, Wasser und Energie Glucose. Dieser Vorgang heißt Photosynthese.) oder aus stärkereichen Rationen (Getreidefütterung, vor allem Gerste und Mais) in die Verdauung gelangt.

Ein guter Weg, um Zucker insulinunabhängig aus dem Blut zu befördern und so Insulin zu sparen ist Bewegung! Dabei kann ein täglicher engagierter einstündiger Schrittausritt bereits fruchten.
Weidegang – ein bedeutendes Problem

Ein Pferd ist durchaus ohne größere Anstrengung in der Lage, innerhalb von zwei Stunden am Tag satte zehn Kilogramm Weidegras aufzunehmen. Bei einem Trockensubstanzgehalt von etwa 20 Prozent sind das zwei Kilogramm Trockenmasse (entsprechend dem Energiegehalt von 1,6 Kilogramm Hafer), von denen wiederum zehn Prozent reiner Zucker sind. Diese 200g Zucker entsprechen fast einem halben Päckchen Würfelzucker! Auch auf scheinbar abgegrasten Koppeln sind viele Pferde regelrechte Fressspezialisten.

Fett durch Fastfood

Die Fütterung klassischer Müslis ist bei Pferden, die nicht sportlich engagiert sind, nicht immer angebracht. Gerste und Mais gehören zu den allerbesten Stärke- und damit Energielieferanten. Gerste enthält etwa 60 Prozent Stärke, der Mais sogar 70 Prozent. Die Stärke besteht aus einzelnen Glucosemolekülen, so dass ein Kilogramm Gerste fast 600g Zucker liefert, der in den Stoffwechsel durch Insulin oder Bewegung eingeschleust werden muss.

Da ist der Anteil an Melasse nicht einmal der ausschlaggebende Faktor für die Gewichtszunahme. Müslis enthalten um die 11 bis 13 Megajoule Energie. Der allseits gefürchtete Hafer hingegen enthält nur 45 Prozent Stärke, reichlich Rohfaser und fünf Prozent Fett. Er kurbelt die Leistungsbereitschaft und den Stoffwechsel an, was vielen Reitern bekannt ist.

Fette in Form von Ölen sind in vielen Müslis enthalten. Öle binden den Staub, liefern essentielle Fettsäuren und sind hervorragende Energielieferanten. Öle enthalten 9000 Kilokalorien, also fast 39 Megajoule je Liter. Das ist bei der Futterberechnung unbedingt zu berücksichtigen. Selbst der Schuss Leinöl mit 100 Milliliter pro Tag  liefert so fast satte 4 Megajoule, was 300g Hafer entspricht.

Dick durch Heu

Gerade leichtfuttrigen Rassen kann sogar Heu zum Verhängnis werden. Durch den mehrtägigen Trockenvorgang veratmet der Grashalm noch einen gewissen Anteil an Zucker, liefert aber genug Energie, um Ponys & Co. richtig übergewichtig zu machen. Künstlich getrocknete Produkte sind aus obigem Grund und weil bei der Bergung weniger Blattanteile verloren gehen oft noch energiereicher als Heu. In der Silage ist zwar der Zucker in Milchsäure umgewandelt, aber auch hier ist die Energiezufuhr durch den hohen Blattanteil beachtenswert. Einen respektable Energiezufuhr ist auch durch Luzerne zu erwarten, die gerne in der Sportpferdefütterung als stärkearmer Getreideersatz angeboten werden.

EMS-Pferde richtig füttern

Bei Pferden, die unter den Symptomen von EMS leiden und der Gefahr der Hufrehe ausgesetzt sind, gilt es Überfütterungen oder Fütterungsentgleisungen zu verhindern und die Nahrungsmenge dem Energiebedarf anzupassen. Um eine Übersäuerung des Dickdarms zu vermeiden ist eine rohfaserreiche Futterration mit Heu- und Strohanteilen anzustreben. Besteht dennoch ein hoher Kraftfutterbedarf, kann ein Teil der Getreideration durch den Einsatz von Ölen und Faserstoffen wie Kleien oder Rübenschnitzel von Stärke entlastet und auf mehrere Mahlzeiten verteilt werden.

Fettleibige, an EMS erkrankte Pferde müssen einem Fütterungs- und Bewegungsprogramm unterzogen werden. Dabei ist die Körperfettreduktion zur Senkung der Insulinproduktion und Vermeidung der Hufrehe wesentlich. Das Abspecken sollte langsam und unter hinreichender Zufütterung wichtiger Wirk- und Nährstoffe erfolgen. Ein geregeltes Bewegungstraining sollte den Energieverbrauch erhöhen um die Gewichtsabnahme zu verbessern.

Empfohlen wird eine moderate Energiezufuhr auf der Basis von gutem Heu, die ein Prozent der Körpermasse nicht überschreiten sollte. Ein 420 Kilogramm schweres Pony sollte also nicht mehr als 4,2 Kilogramm Heu pro Tag erhalten. Silage und Weidegang sollten gemieden werden. Bei Silage kommt die zusätzliche Übersäuerung und Histaminbelastung hinzu und bei Weidegang die unkalkulierbaren aber in jedem Fall hohen Zuckermengen von frischem Gras.

Die Fütterung eines Kraft- oder Ergänzungsfuttermittel ist bei stark überfütterten Pferden nicht nötig. Viel wichtiger ist eine ausreichende Mineralisierung und Vitaminisierung.


1. Die Leber unterstützen 2. die Leber unterstützen und 3. die Leber unterstützen

Die Diät des EMS -Pferdes sollte grundsätzlich mit einer pflanzlichen Unterstützung der Leber in Form von Bitterstoffen einhergehen. Die Leber wird stark belastet durch Stoffwechselmetaboliten und Schadstoffe, die bei der Auflösung der Fettdepots freigesetzt werden. Desweiteren ist der Gallefluss wichtig für einen basischen Darm. Dieser verfügt so über eine gewisse Möglichkeit, Säureentgleisungen abzufangen. Und schließlich konnte beobachtet werden, dass in vielen Fällen Pferde, bevor EMS aufgetreten ist, bereits erhöhte Leberwerte hatten, die schlichtweg nicht beachtet worden sind (ähnlich wie beim menschlichen Typ II Diabetiker).

Mineralisierung des EMS Pferdes

Zu Hufrehe neigende Pferde und Pferderassen sind oft klassisch mit Spurenelementen unterversorgt. Die einseitige mineralienarme Überfütterung mit Weidegras und die ständige Limitierung der Futtermenge sind maßgeblich für eine defizitäre Grundversorgung an Mineralstoffen, vor allem Spurenelementen.

Die Folgen reichen von einer Schwächung des Fett- und Zuckerstoffwechsels bis hin zur Beeinträchtigungen des Leber- und Nierenstoffwechsels. Die reine Heufütterung birgt ebenfalls die Gefahr von entstehenden Mängeln vor allem Magnesium, Mangan, Zink, Kupfer und Selen.

Chrom und Vanadium dürfen derzeit durch Futtermittel nicht zugeführt werden, haben aber eine große Bedeutung für den Insulinstoffwechsel und können im Fall von Chrom durch Bierhefe, Zimt, Pfeffer und andere Kräuter zugeführt werden, im Falle von Vanadium durch Öle. Allerdings ist es äußerst zweifelhaft, ob man mit Zimt oder Bierhefe einen Chrombedarf von mindestens 1 mg pro Pferd und Tag ausgleichen kann. Die höchste Chromzufuhr durch die Ernährung kann man mit Melasse erreichen, die ist aber gerade aufgrund des Zuckergehalts nicht angebracht.

Eine wichtige Funktion bei der Regulierung des Zuckerhaushalts erfüllen die Vitamine des B-Komplexes. Die Vitamine B2, B6, Niacin, Pantothensäure und Biotin werden in einem gesunden Pferdedarm selbst synthetisiert. Daher ist eine Unterstützung des Darms durch verdauungsfördernden Kräutern wie Fenchel, Anis, Kümmel und Koriander für das EMS Pferd obligat.

 

Dr. Susanne Weyrauch-Wiegand ©

 

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