Muskelaufbau bei Sportpferden
Foto: Andrea Pollich

Leitfaden für den Muskelaufbau

Eine gut ausgebildete Muskulatur als Zeichen für Schönheit und Gesundheit

Ein gelungener und ausgewogener Muskelaufbau wird als Schönheits- und Aktivitätsmerkmal bei Pferden geschätzt. Tatsächlich ist eine ausgeprägte Muskulatur auch gesund, da sie auf einem funktionierendem Stoffwechsel hinweist und nicht nur die Gelenke schützt, sondern auch die Durchflutung des Bindegewebes verbessert.

Wie die meisten Spezies auf der Welt gilt auch das Pferd als Bewegungstier. Bewegung ist die absolute Voraussetzung für die Entwicklung der Muskulatur. Je höher der Anspruch an die Muskulatur wird, desto besser kann sie sich auch entwickeln.

Gehen wir von der freien Natur aus, verfügen vor allem Hengste und Junghengste über einen guten Muskelaufbau, da sie den lieben langen Tag miteinander kämpfen, sich dabei von Natur aus  Galopprennen liefern, Traversalen und Kapriolen üben oder auch mal eine Levade springen.

Der hohe Testosterongehalt (männliches Geschlechtshormon) ist verantwortlich für das eindrucksvolle Spiel der Hengste. Wallache verfügen aufgrund der Kastration sogar über weniger Testosteron als Stuten. Sie spielen auch noch bis ins hohe Alter, aber weit nicht so heftig und ausdrucksvoll wie Hengste. Doch nicht alle Junghengste strotzen vor Muskulatur. Hier gibt es große Unterschiede, die zeigen, dass Bewegung alleine nicht verantwortlich für den Muskelaufbau ist.

Stuten verhalten sich schon in der Jugend anders, sie kämpfen nicht so ausdauernd miteinander und mehr oder weniger sinnloses Herumgaloppieren ist ihnen eher fremd, außer sie werden frisch und voller Energie aus dem Stall entlassen.

Wer bei seinem Reitpferd also die Muskulatur entwickeln möchte kommt an reellem Trainung und ausreichend Bewegung nicht vorbei.

 

Realistische Muskelbildung nur durch Training

Vom Pferd erwarten wir im Allgemeinen eine sichtbare Muskulatur, die sich letztlich nicht alleine durch normale Bewegung (zum Beispiel Offenstallhaltung mit Weidegang) bildet.

Auch wenn das Pferd den ganzen Tag die Möglichkeit hat sich frei zu bewegen, ist echtes Training erforderlich, um eine ausgeprägte Muskulatur zu erwirken.

Bei Pferden kann schon in der Jugend der Grundstein für Ausdauer, Beweglichkeit und Kraft durch die klassische Reitausbildung gelegt werden.  Dass dazu beim ausgewachsenen Reitpferd auch lange Galoppreprisen, Longen- und Stangenarbeit oder versammelte Dressurlektionen zählen, darf nicht in Vergessenheit geraten. Muskelbildung beim erwachsenen Pferd gelingt nur mit entsprechender schweißtreibender Arbeit.

So funktioniert der Muskel

Der Muskel selbst setzt sich aus zahlreichen Muskelfasern zusammen, die aus sogenannten Myofibrillen bestehen. Hier wird chemische Energie in mechanische Energie umgewandelt. Dabei kommt es - aktiviert durch Nervenreize - zu einer Kontraktion und es gelangen sogenannte Aktinfilamente in die Myosinfilamente.

Die dazu benötigte Energie wird durch Adenosintriphosphat (ATP) bereitgestellt. Für diesen Vorgang wird auch Calcium bereitgestellt. Die Lösung der Filamente voneinander erfordert hingegen wieder Magnesium (die natürliche Futterration des Pferdes ist grundsätzlich reich an Calcium, aber sehr oft arm an Magnesium).

Bildung von ATP mit Unterstützung durch Mikronährstoffe

Die Vorräte an ATP sind nach ca. 10 bis 20 Muskelkontraktionen erschöpft und müssen dann rasch wieder aufgefüllt werden. Das entstandene Adenosindiphosphat (ADP) wird über Kreatinphosphat (KP) aufgefüllt. Dieser Weg ist an Enzyme und deren Cofaktoren gebunden. Zu den Cofaktoren zählen Vitamine und Spurenelemente. Ohne eine ausreichende Verfügbarkeit der Mineralien kann die Energieproduktion nicht wirklich erfolgen.

Nach ca. 100 Kontraktionen muss Glukose , also Traubenzucker bereitgestellt sein, um die Reserven von Adenosintriphosphat und Kreatinphosphat wieder aufzufüllen . Diese Glukose stammt aus dem in der Muskulatur gespeicherten Glykogen, auch tierische Stärke genannt.

Glykogen ist ein Makromolekül aus verketteten Glukosebausteinen, ein Mehrfachzucker (Polysaccharid). Glycogenreserven sind im Muskel, aber auch zu einem Großteil in der Leber gespeichert. Sie stammen u.a. aus einer kohlenhydratreichen Fütterung. Die Aktivierung von Glycogen ist offensichtlich manganabhängig, ebenso die Bildung von ATP und Kreatinphosphat. Ein Manganmangel wird also naturgemäß zu einer verminderten Muskelbildung beitragen.

Werden weitere Muskelkontraktion benötigt, kommt es im Rahmen des Trainings zur Verwendung einer weiteren Energiequelle, den Fettsäuren. Der Transport von langkettigen Fettsäuren in die Mitochondrien erfolgt mit Hilfe von Carnitin, einem Molekül, welches zwar selbst synthetisiert werden kann, gerne aber auch in Ergänzungsfuttermitteln zur Muskelbildung verwendet wird.

Milchsäurebildung als Hemmnis

Bei Ausdauerleistung und einer guten Durchblutung wird eine ausreichende Sauerstoffzufuhr gewährleistet. Wird das Pferd überlastet oder Schnelligkeit und Höchstleistung gefordert, kann das Pferd in eine Sauerstoffschuld kommen und die Glukose wird ohne Veratmung direkt in Milchsäure umgewandelt.

Je nach Muskelbelastung und Training kann es zu einem Überschuß an Milchsäure kommen. Sie wird vom Körper abgepuffert, indem ein Salz, das Laktat gebildet wird. Bei sehr hoher Laktatbelastung treten Müdigkeit und Leistungsunwille auf. 

Hemmnisse für eine gesunde Muskelentwicklung

Ein reeller Muskelaufbau kann stagnieren, wenn das Pferd zu hart oder mit zu wenig Geduld entwickelt wird. Nach Phasen starker Forderung müssen auch mal Phasen der Entspannung (Ausritte oder Weidegang) eingelegt werden. Auch Pferde kennen das Problem Muskelkater, der einerseits auf zu hohe Anflutung von Milchsäure (dem Abbauprodukt der Glukose), andererseits auf Mikrorisse in der Muskulatur zurückgeführt werden.

Obschon die Milchsäure einerseits in der Leber umgebaut wird und andererseits durch die sogenannte Glykoneogenese wieder zu Traubenzucker umgewandelt wird, kann es bis zu drei Tage dauern, die Glykogenreserven in Abhängigkeit von einer kohlenhydrathaltigen Fütterung wieder aufzufüllen.

Ein weiteres, unterschätzes Hemmnis für die Muskelentwicklung ist die Tatsache, das jeder Muskel von Bindegewebe (den Facien) umgeben ist. Dieses Gewebe entwickelt sich doch deutlich langsamer als das Muskelgewebe. Aus diesem Grunde muss auch an eine Aktivierung des Bindegewebestoffwechsels bei der Muskelentwicklung gedacht werden. Das Bindegewebe verfügt über nur wenige aktive Zellen, die die Entwicklung und Ausdehnung vorantreiben können. Wesentliche nutritive Faktoren für das Bindegewebe sind Kollagen und Triggernährstoffe (z.B. Mangan), die die Bildung von Mucopolysacchariden sowie Hyaluronsäure befördern.

 

Starke Sauerstoffleistung erfordert hohen Einsatz von Antioxidantien

Eine stark geforderte Muskulatur entwickelt sich nur unter einer erhöhten Sauerstoffleistung, die wiederum zur Bildung freier Radikalen führen kann. Werden die freien Radikale nicht abgefangen, kommt es zu Zellschädigungen bis hin zum Untergang der Muskulatur. Hier spielen Vitamin E, aber auch das Selen als Coenzym für die Glutathionperoxidase eine überragende Rolle.

Der Muskelaufbau stagniert jedoch sofort, wenn das Pferd nicht mehr gefordert wird! Ein rasanter Muskelabbau findet statt, wenn das Pferd beispielsweise mehr als 8 Tage aufgrund von Schonung nicht gearbeitet werden kann. Jegliche Maßnahmen, die Muskulatur ohne Arbeit zu erhalten scheitern.

Reeller Muskelaufbau erfordert sauberes und hochwertiges Grundfutter

Wenn Pferde gut gearbeitet werden, der Sattel passt und auch physiotherapeutisch keine Probleme vorliegen, können zwei Gründe den Muskelaufbau bremsen. Zum einen ein oder mehrere Nährstoffmängel, zum anderen Stoffwechselprobleme.

1. Stoffwechselstörungen beim Pferd sind nicht selten ein hausgemachtes Problem durch schlechte Futterqualitäten (verschimmeltes Heu), Silage (biogene Amine), mit Konservierungs- oder Süßstoffen versetzte Kraftfutter oder  aromatisierte Zusatzfutter.

2. Aber auch häufige Impfungen, die Gabe von Schmerzmitteln, Medikamenten (Abusus von "vorbeugend" gegebenen Magenmitteln oder Antibiotika) und Wurmkuren können vor allem die Leber, den Darm und die Nieren des Pferdes belasten.

Sobald die Leber über die Maßen beansprucht wird, ist sie nicht mehr in der Lage Eiweiß bzw. Aminosäuren aus den Futtermitteln in körpereigenes Eiweiß, sprich Muskeleiweiß umzubauen. In diesen Fällen genügt auch die Gabe von Aminosäurepräparaten nicht, da die angeschlagene Leber nicht in der Lage ist, diese auch tatsächlich in Eiweißsequenzen umzubauen.

Energie und Eiweiß

Tatsächlich benötigt ein Pferd zum Muskelaufbau ausreichend Energie, sonst könnte man es nicht trainieren. Durch die klassische Heu und Haferfütterung wird beides geliefert, reichlich Energie und Eiweiß.

Hafer enthält sehr hochwertiges Eiweiß, welches sich durch eine hohe biologische Qualität und auch Verdaulichkeit auszeichnet. Hafer besticht regelrecht durch die Aminosäure Tyrosin, die  leistungssteigernd wirkt und bei Pferden nicht selten die Ausbildung des Temperaments fördert, was jedoch - wenn es händelbar ist - absolut benötigt wird.

Daher kann auch bei ausreichender Heufütterung mit 1,5 Kilogramm je 100 Körpergewicht eine zusätzliche Zufuhr von 500 Gramm Hafer je 100 Kilogramm Körpergewicht notwendig sein. Im Hochleistungssport wird man auf kohlenhydratreiche Futtermittel (hydrothermisch aufgeschlossene Gerste und Mais) nicht verzichten können.

Muskelaufbau durch bedarfsgerechte Mineralisierung

Zu den schwierigsten Themen der Pferdefütterung gehört die bedarfsgerechte Mineralisierung. Gemäß den Erkenntnissen von Freiherr Justus von Liebig (1803 bis 1873), der jene auf die Pflanzenernährung bezogen hat, können auch wir davon ausgehen, dass der Nährstoff, der am stärksten im Mangel ist,  das ganze System - hier den Muskelaufbau limitiert.

Wenige Sportreiter wissen um die Wichtigkeit von Magnesium als Schlüsselelement für den Muskelaufbau. Magnesiummängel werden in den Blutbildern oft nicht richtig interpretiert und die Zufuhr beschränkt sich nicht selten auf Verbindungen, die nicht wirklich resorbiert werden.  Dadurch wird unwissentlich der Knochen, als das größte Reservoir für Magnesium, bei Sportpferden schneller geleert als man sich das vorstellen kann.

Limitierende Faktoren für den Muskelaufbau jedoch können auch die Spurenelementen Zink, Mangan, Cobalt, Jod und Selen, aber auch die Vitamine A, D und E darstellen. Daher ist, hat man das Ziel des Muskelaufbaus seines Pferdes vor Augen, eine ausreichende Versorgung mit Mikronährstoffen, auf der Basis einer ausreichenden Kraftfuttermenge zu planen.

Dr. Susanne Weyrauch-Wiegand Januar 2020 überarbeitet 2022©

 

Foto: Christiane Slawik©

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